(pd) Die Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) hat darüber beraten, ob der Kanton Aargau das Referendum gegen das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung ergreifen soll. Eine knappe Mehrheit der Kommission VWA befürwortet den regierungsrätlichen Antrag.
Die Kommission für Volkswirtschaft und Abgaben (VWA) hat an ihrer Sitzung vom 2. September darüber beraten, ob der Kanton Aargau das Referendum gegen das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung ergreifen soll. National- und Ständerat haben am 20. Juni 2025 in den Schlussabstimmungen Ja gesagt zur Einführung der Individualbesteuerung; sie haben der Volksinitiative der FDP-Frauen sowie dem indirekten Gegenvorschlag zugestimmt.
Gestützt auf Art. 141 Abs. 1 lit. a der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft können 50'000 Stimmberechtigte oder acht Kantone innerhalb von 100 Tagen seit der amtlichen Veröffentlichung des Erlasses eine Volksabstimmung über ein Bundesgesetz verlangen. Der Regierungsrat will das Kantonsreferendum ergreifen, weil die Abschaffung der Heiratsstrafe durch einfachere Lösungsansätze umgesetzt werden soll.
Kommission ist grundsätzlich für eine Abschaffung der Heiratsstrafe
Grundsätzlich ist sich die Kommission einig, dass die Heiratsstrafe abgeschafft werden soll. Über die Art und Weise fielen die Meinungen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Die Gegner des Kantonsreferendums betonen, dass die Heiratsstrafe nicht alleine mit dem Vollsplitting abgeschafft wird. Es soll eine zivilstandsunabhängige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgen. Die Arbeit muss sich für Männer und Frauen gleichermassen lohnen. Durch die gemeinsame Veranlagung von Ehepartnern wird das zweite Einkommen steuerlich benachteiligt. Die Individualbesteuerung schafft die Heiratsstrafe ab und garantiert faire Steuern für alle, unabhängig vom Zivilstand. Sie stärkt die Karrierechancen und die Altersvorsorge von Zweitverdienern, sie fördert die Erwerbstätigkeit von Frauen, wirkt dem Fachkräftemangel entgegen und bringt gesamthaft eine Steuerentlastung. Das Bundesgesetz über die Individualbesteuerung stelle einen politischen Kompromiss dar, dessen Vorteile überwiegen.
Die Befürworter des Kantonsreferendums sind der Meinung, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe ohne Bürokratie erfolgen soll. Die Individualbesteuerung sei zu kompliziert, zu teuer und bringe keinen Mehrwert, sondern einen Bürokratieaufbau. Die Zahl der Steuerdossiers würde im Aargau um 140'000 steigen. Verheiratete müssten zu steuerlichen Zwecken auf dem Papier faktisch eine finanzielle Scheidung vollziehen. Die Heiratsstrafe hätte mit dem Splittingverfahren, wie es eine Mehrheit der Kantone und auch der Kanton Aargau bereits heute kennen, schneller beseitigt werden können. Ebenso wurde moniert, dass die Individualbesteuerung zu neuen Ungleichbehandlungen führe. Einverdiener-Ehepaare und Familien mit tiefem Zweiteinkommen würden gegenüber Paaren mit gleichmässiger Einkommensaufteilung benachteiligt. Finanziell drohen dem Kanton und den Gemeinden erhebliche Mindereinnahmen – nicht nur durch einen tieferen Anteil an der direkten Bundessteuer, sondern auch durch die nötigen Anpassungen der Tarife und der Sozialabzüge. Diese Mindereinnahmen könnten im dreistelligen Millionenbereich liegen.
Letztlich befürwortete die Kommission VWA die Einreichung des Kantonsreferendums mit knapper Mehrheit. Das Geschäft wird im Grossen Rat voraussichtlich am 23. September 2025 behandelt. Die
Referendumsfrist zur Einreichung eines allfälligen Kantonsreferendums läuft am 9. Oktober ab.